"Schnell, ins Bett! – Franz Antels Wirtinnen-Reihe als hybride Grenzüberschreitung"
Lisa Andergassen
1968, in einer Zeit der politischen Umbrüche, internationaler Filmproduktionen, Versprechen von sexueller Befreiung und durchlässig werdender Zensur begann Franz Antel mit der Produktion einer Filmreihe, die auf den sogenannten Wirtinnen-Versen basiert. Die Verse besingen das wechselhafte – und für damalige Verhältnisse moralisch zweifelhafte – Leben der populären Volksgestalt „Die Wirtin von der Lahn“.Für den gleichnamigen erste Teil, der in Koproduktion mit der ungarischen Hungaro Mafilm realisiert wurde, zimmerten Antel und sein Drehschreiber Kurt Nachmann verschiedene Versatzsstücke aus Historiendrama, komödiantischem Softsex-Filmchen, Musical und Heimatfilm zu einem Typ des frivolen Lustspiels zusammen, das aufwändige Ausstattung, populäre Darsteller_innen und historische Verweise mit viel nackter Haut und derben Späßen verbindet.Die insgesamt 7 Teile der Reihe begleiten die Hauptfigur Susanne Delberg (Terry Torday) und ihre Theatergruppe dabei auf ihren Reisen durch ein Europa, das unter Napoleons Einfluss in einer Neuordnung begriffen war und in dem Zugehörigkeiten sich gerade von regionalen in nationale verwandelten. Als Landschaftskulisse der jeweiligen Länder, müssen derweil Ansichten vom dem damals noch unter sowjetischem Einfluss stehenden Ungarn herhalten, egal ob sich Frau Delberg gerade in Italien, Deutschland, Frankreich oder Österreich befindet.
Auf auf seichte Unterhaltung angesetzt, fokussiert die Reihe die Befriedigung des voyeuristischen männlichen Blicks. Und doch kann man ihre Hauptfigur als selbstbestimmte Heldin interpretieren, die man im heutigen Sinne als sexpositiv bezeichnen würde und die Nacktheit – ganz in der Tradition bestimmter 68er Bewegung – als politisches Mittel einsetzt.Bei genauerem Hinsehen erscheint die Reihe so als merkwürdiger Hybrid, der unbekümmert Genres vermischt, Zugehörigkeiten nicht über Nationalitäten verhandelt und Bezug nimmt, auf gesamtgesellschaftliche Verhältnisse der 60er und 70er Jahre. Diesen Zusammenhängen trägt der Beitrag Rechnung und analysiert die Wirtinnen-Reihe auf seine transnationalen, transgenre und transpolitischen Aspekte.
Transnationale Medienlandschaften. Populärer Film zwischen World Cinema und postkolonialem Europa, erschienen2016, Axel Springer Verlag