Frau vom Bau Zusammenhänge, die in Förderanträgen künstlich herbeigeredet werden müssen, ergeben sich bei BAUFACHFRAU ganz von selbst. Die Projekte des Vereins verbinden seit 1988 alles, was auf den nachhaltigen Wanted-Listen ganz oben steht.
Berlin-Weißensee, ein altes Denkmalschutz-Ensemble inmitten von leicht angegrauten Häusern. Die Schiebetür ist schwergängig. Auf dem Hof gleich links der Eingang zum Büro von BAUFACHFRAU Berlin e.V. Hier wirkt alles ganz normal und administrativ, kein Werkstattflair oder Tischlereigeruch und erst recht kein besonders bio-alternativer Touch. Aktenordner stapeln sich bis unter die Decke, das Telefon klingelt in regelmäßigen Abständen, Frauen warten auf einen Gesprächstermin. Ganz klar: hier wird nicht nur gebaut. Seit der Gründung des Vereins 1988 geht es um die umfassende Förderung von Frauen in technischen, gestalterischen und handwerklichen Berufsfeldern und darum, gemeinsam mit diesen Frauen konkrete Projekte zu entwickeln. Seitdem ist einiges passiert.Die verschiedenen Unternehmungen von BAUFACHFRAU decken heute alles ab, was in der hiesigen Förderungslandschaft en vogue ist. Das lässt erst einmal stutzen. Denn wer schonmal Drittmittel beantragen musste, weiß: vor allem begriffliche Ausdifferenzierungen, akribische Zielgruppenanalysen und das einschlägige politisch-korrekte Vokabular öffnen die Fördertöpfe. Zusammenhänge werden oft nur herbeifabuliert, bleiben Papiertiger ohne Bezug zur Praxis. Dem geschulten Auge kommt das Angebot von BAUFACHFRAU ein wenig zu umfassend und zu ganzheitlich vor.Das Programm des Vereins umfasst über 200 Projekte, reicht von der Tischlerinnen-Ausbildung über Denkmalpflege und Stadtraumnutzung bis hin zu Produktentwicklung. Ökologische, umweltpädagogische und soziale Schwerpunkte werden abgedeckt, nebenher wird noch generationenübergreifende, interdisziplinäre und integrative Arbeit geleistet. Das allseits mitschwingende Leitmotiv: Nachhaltigkeit. Das klingt wie abgeschrieben aus dem Handbuch zum erfolgreichen Verfassen eines Förderantrags. Doch tatsächlich finden sich hier Zusammenhänge, die sich organisch ergeben haben. Die Baufachfrauen satteln ihre Pferde gerade nicht von hinten auf, sondern entwickeln die Projekte aus der Praxis heraus und gemeinsam mit den jeweiligen Partnern. Indem sie die von Beginn an in die Konzeption und Organisation einbinden, bannen die Damen die Gefahr, an der Zielgruppe vorbei zu planen.Der gemeinnützige Verein BAUFACHFRAU beschäftigt zur Zeit sieben Auszubildende und elf Mitarbeiterinnen mit verschiedenen Expertisen und Hintergründen. Eine davon ist Ute Mai. Ihr Werdegang klingt nach Bilderbuch – alles richtig gemacht; sind hier etwa auch die Biografien perfekt antragskompatibel? Im Ergebnis vielleicht, allerdings ging es nicht darum, jemanden zu beeindrucken, sondern um eigene Konsequenz: erst in der retrospektiven Betrachtung setzen sich die Entscheidungen, die Ute Mai jeweils für sich getroffen hat, zusammen zu einem geraden Weg direkt dahin, wo sie heute steht: „Durch mein Leben zieht sich kein roter, sondern ein grüner Faden“, erklärt die Baufachfrau. Ihre Jugend verbrachte sie in diversen Alternativbewegungen. Sie hatte ein klares Ziel, „wollte die Welt verbessern im Sinne einer ökologischen Nachhaltigkeit“ und sich einbringen. Sie suchte nach etwas, das Freizeit und Arbeit, technisches, künstlerisches und handwerkliches Interesse in grüner Einheit miteinander verband. Die Erfüllung dieses Wunschkatalogs: erst ein Architekturstudium mit Schwerpunkt Lehmbau, 2003 dann der Einstieg bei BAUFACHFRAU.Ja, auch der gute alte Lehm ist Teil des Weges in eine nachhaltige Zukunft. Der Baustoff ist nämlich 100-prozentig recyclebar, verbessert jedes Wohnklima und ist atmungsaktiv. Lehmbauprojekte sind im Programm von BAUFACHFRAU fest verankert. Dort kommen Interessierte aus unterschiedlichen Berufsfeldern, kulturellen Kontexten und Altersgruppen zusammen und werden mit dieser traditionellen Bauart vertraut gemacht. Konkret hieß das zuletzt: Gemeinschaftsgärtnerinnen bauen zusammen einen Lehmofen. Die Projektteilnehmerinnen erlernen nicht nur eine außergewöhnliche Handwerkstechnik; am Ende steht zudem ein solides Ergebnis – sinnvoll und nutzbar. Aber damit nicht genug. Der Verein BAUFACHFRAU hat die Lehmbauweiterbildung ausgeweitet und mit Kooperationspartnern in sechs Ländern das Berufsbild „GestalterIn für Lehmputze“ mit dazugehörigen Ausbildungsmodulen entwickelt. Die „Lehmputzeinheiten“ sind so angelegt, dass sie nicht nur länderübergreifend anerkannt werden, sondern auch auf anerkannte Berufsabschlüsse angerechnet werden können. (Förderantragssprech: weiterbildende Maßnahmen, zertifiziert, integrativ, überregional und generationsübergreifend).Neue Vorhaben der Baufachfrauen beginnen meist mit einem Ideenfindungsworkshop. Und zwar einem, der diesen Namen auch verdient hat. Kein verkappter Frontalunterricht, sondern der Versuch, in der gemeinsamen Bearbeitung eines Themas zu einem Ergebnis zu kommen. Das Projekt „Bücherwald“ beispielsweise hatte seine Geburtsstunde im Berliner Unterholz. Hier versammelte BAUFACHFRAU Auszubildende der Bereiche Forst, Tischlerei, Zimmerei, Buchdruck, Buchhandel und Medientechnik, um gemeinsam eine Büchertauschbox zu entwickeln. (Förderantragssprech: interdisziplinäre Konzeptentwicklung für ein soziales und nicht-monetäres System, basierend auf der etablierten Idee des book-crossing). Das preisgekrönte Resultat dieses Projekts lässt sich heute an seinem Standort im Prenzlauer Berg bewundern und natürlich auch benutzen.Also kein Aufoktroyieren von außen, sondern gemeinsame Konzeptentwicklung: so auch bei der„MädchenBewegungsWerkstatt girls move“. Der Ansatz: zusammen mit den Baufachfrauen überlegen sich die in dieser Werkstatt aktiven Mädels, welche Umgebung sie für ihre Leibesübungen brauchen. Sie entwickeln ein Konzept, auch den Entwurf und bauen das Ganze schließlich selbst zusammen. (Förderantragssprech: sozial-pädagogisches Projekt zur Motivation heranwachsender Mädchen, das durch Verknüpfung spielerischer Elemente und der Vermittlung handwerklich-technischer Tätigkeiten berufsorientierend wirkt). Herausgekommen ist dabei zum Beispiel ein Inlineskating-Parcours im Mädchensportzentrum Pia Olymp, ebenfalls ausgezeichnet, seit 2007 in Betrieb und noch immer voll funktionstüchtig. Dank einer erfolgreichen Arbeitsteilung: die jungen Nutzerinnen des Parcours warten ihn regelmäßig und vor Ort, die Baufachfrauen unterstützen sie, wenn größere Fragen oder Probleme auftauchen.Weil aber oft nur „neue“ Ideen förderungswürdig sind, bleibt für die Betreuung und Weiterführung nach der Laufzeit des Projektaufbaus kein Geld übrig. „Gerade dieser Teil wäre aber total wichtig“, findet Ute Mai und fragt sich kopfschüttelnd:„Wo bleibt denn da die Nachhaltigkeit?“ Die Instandhaltung schon gebauter Objekte und Gebäude können die Baufachfrauen unter Aufwendung persönlicher Freizeit gerade noch leisten, nicht aber die langfristige Begleitung einmal angestoßener Unternehmungen. Die Finanzierung des Projekts „hikk - Holz im Kreativkreislauf“ verschwand beispielsweise zwischenzeitlich in den Untiefen der Fördergrube. Dabei ist auch dies ein Vorzeigeprojekt, das Holzabfälle (Restholz) zu nachhaltig designten Möbeln verarbeitet, eine kostenlose Holztauschbörse anbietet und den Nachwuchsdesignwettbewerb „hikk vermöbelt“ veranstaltete.Damit die „Restholz-Zweitverwendung“ trotzdem verstetigt werden kann, ist die Entwicklung eines neuen Modellprojekts bereits in Arbeit. Dafür muss – natürlich – auch wieder eine Menge Papierkram erledigt werden. Das ist schade. Denn während die Baufachfrauen notgedrungen zu Expertinnen im Formulieren von Anträgen zur Mittelakquise werden und die Dokumentation zum nimmersatten Zeitfresser mutiert, bleibt ihnen immer weniger Kapazität für die eigentliche Umsetzung der praktischen und auf Nachhaltigkeit ausgelegten Projekte. Oder anders gesagt: Das Pferd der Baufachfrauen läuft zwar zielstrebig in die richtige Richtung, droht jedoch immer wieder im Dickicht der Förderungslandschaften stecken zu bleiben. FUTURZWEI. Stiftung Zukunftsfähigkeit am 01.08.2013