Schöner Laufen Wem bei nachhaltiger Kleidung nur Eintönigkeit einfällt, kann von ekn footwear was lernen. Das junge Label stellt seit 2012 Schuhe und Accessoires her, nachhaltig und fair und dabei mindestens genauso stylish wie die Mode der großen konventionell produzierenden Marken.
Vor 30 Jahren war nachhaltiges Leben ein hartes Brot. Das Reformhaus war neben dem Eigenanbau die einzige Nahrungsbezugsquelle. In den kleinen, hochpreisigen Läden wurden damals Produkte über die Theke gereicht, an die sich Geschmacksorgane und Verdauungstrakt oft erst gewöhnen mussten: schwere Brote aus Dinkelschrot, bröckelige Vollkornspaghetti, Champignonaufstrich und blasse Gummibärchen. Dasselbe dröge Bild boten die Kleiderschränke der frühen Bio-Jünger, in denen unbehandelte Jutebeutel neben erdfarbener Kleidung aus groben Stoffen hingen, darunter standen ein, zwei Paar Gesundheitslatschen.
Diese Verzicht-Ethik hat auch Noel Klein-Reesink, Gründer von ekn footwear, geprägt. Aufgewachsen in einem der frühen Biohaushalte, fand er das Thema nach eigenen Angaben erst mal „gar nicht sexy“. Es brauchte eine Portion Abstand und eigene Erfahrungen, bis er sich der Sache wieder annähern konnte. Heute lässt er Schuhe und Accessoires von Hand und aus nachwachsenden und ökologischen Materialien herstellen. Die sind stylish, frei von Reformhaus-Charme und richten sich an eine designinteressierte Zielgruppe.
Die Entscheidung für einen bestimmten Lifestyle war bei Klein-Reesink der ausschlaggebende Faktor, sich mit seinem eigenen Schuhwerk auseinanderzusetzen. Als Jugendlicher stürzte er sich in die Skaterszene: „Ich habe dort alles inhaliert, die Musik, die Magazine, die Kultur“, sagt er. Und dazu gehörten natürlich auch kultige Schuhe. Später, dann schon als studierter Kommunikationswissenschaftler, schnitt er durchgelaufene Paare kurzerhand durch, um zu sehen, was in ihnen steckte. Was als impulsives Ausprobieren begann, mauserte sich mit den Jahren zu einer intensiven Materialkunde. Als Aushilfe in einem Sportfachgeschäft konnte er dies noch vertiefen, ließ sich in die Biomechanik einführen und erfuhr, welche Kräfte beim Gehen im Körper wirken. Und er lernte zu unterscheiden, was den Fuß wirklich unterstützt und was nur als Teil der Marketingstrategien von Konzernen funktioniert.
Zeitgleich zur materiellen Erforschung machte der Schuhbegeisterte eine prägende Erfahrung. 1999 verschlug es ihn im Rahmen eines einjährigen Amerika-Aufenthalts in New Yorks hippes Viertel Williamsburg. Dort schien ihm der Umgang mit ökologischen Fragen irgendwie entspannter. „Die Leute kauften ihr Zeug auf Biomärkten und tranken Biokaffee, aber keiner hat das thematisiert”, erinnert sich Klein-Reesink. Die Probleme ernst zu nehmen und aktiv an deren Lösung zu arbeiten, ohne dies ständig kommentieren zu müssen, diese zupackende Art hinterließ Eindruck bei Klein-Reesink, und er merkte, dass ihn das Öko-Thema immer noch „total flashte“.
Nach dem Studium heuerte er trotzdem zunächst bei adidas an und wechselte, als sein Vertrag dort auslief, zu einer Werbefirma in Frankfurt am Main. Alles lief gut für ihn und hätte auch noch lange so weitergehen können, wäre da nicht das nagende Gefühl gewesen, Zeit zu verschwenden für etwas, „was die Welt schlechter macht“, wie er klar sagt. Um seine Energie sinnvoller einzusetzen, ging Klein-Reesink 2009 als Marketing-Berater zu hessnatur, dem Urgestein der ökosozialen Einkaufsbewegung, das seit 1976 biologisch und fair produzierte Kleidung verkauft.
„Geld zu verdienen, aber nicht auf Kosten anderer“, das fand Klein-Reesink nun sehr „sexy“. Bei hessnatur konnte er endlich nachvollziehen, was in allen anderen Betrieben im Dunkeln blieb: wo die Materialien herkamen und wer an der Produktion beteiligt ist. Ideell vollkommen angekommen, hatte er bei dem Traditionshaus aber das umgekehrte Problem: Er fand die Produkte einfach zu altmodisch. Lässige Sneakers suchte er vergeblich.
Das war noch kein Grund, sich gleich nach einem neuen Arbeitgeber umzusehen, aber die Idee, es selbst anders zu machen, gärte weiter in Klein-Reesink. Als er auf der Fahrt zur Arbeit in einer der von hessnatur organisierten Fahrgemeinschaften Christoph Harrach kennenlernte, hatten sich Latsch und Bommel gefunden. Beide empfanden sich als Teil einer Ökobewegung und beide hatten das Gefühl, „Trends ein bisschen schneller zu erkennen als andere“. Sie begannen über den von Harrach initiierten Blog KarmaKonsum Leute zu suchen, die ähnlich tickten. Und als sie schließlich mit der ersten KarmaKonsum-Konferenz offline gingen, kamen fast 100 Leute aus dem gesamten deutschsprachigen Raum.
Das Netzwerktreffen für junge ökologisch orientierte Unternehmen war initiiert und wird mittlerweile jedes Jahr ausgetragen. Die Eindrücke und Erkenntnisse der ersten Zusammenkunft elektrisierten Klein-Reesink. All sein Wissen und seine Erfahrungen formten sich mehr und mehr zu etwas Konkretem: ekn footwear. Er begann zu recherchieren und siehe da: Schuhe waren im nachhaltigen Bekleidungssektor eine echte Seltenheit. Dann ging alles ganz schnell. Er ließ sich von einem ehemaligen adidas-Designer eine Musterkollektion entwerfen und reiste mit dem Konzept in der Tasche nach Portugal, wo man auf eine lange Tradition der Schuhherstellung zurückblicken kann.
Auf der Suche nach geeigneten Produktionsstätten klapperte Klein-Reesink das Land ab und fand Gerber und Näherinnen, die zudem Erfahrung mit ökologischer Erzeugung hatten. 2012 gab er erste Prototypen in Auftrag – sechs Modelle und 30 Paare insgesamt. Diese durfte er das erste Mal im Showroom des Klamottenlabels Knowledge Cotton Apparel einer kleinen Öffentlichkeit zeigen „und die sahen zwischen den anderen Sachen richtig geil aus“, so Klein-Reesink. Kurzerhand schraubte er seinen Beraterjob auf 20 Stunden runter und steckte den Rest seiner Zeit sowie eine Menge Eigenkapital in ekn footwear. Und das mit Erfolg: Das Geschäft lief von Anfang an gut.
Bis heute produziert ekn footwear nach strengen ökologischen und sozialen Richtlinien und ausschließlich in Portugal und Deutschland. In zwei Manufakturen werden jeweils Schuhe, Gürtel und Taschen von übertariflich bezahlten Arbeitern und Arbeiterinnen in Handarbeit hergestellt. Die Produkte liegen preislich nicht höher als die der bekannten Marken, doch der Verbrauch von Ressourcen bleibt dabei so niedrig wie möglich – dank der Wiederbelebung alter pflanzlicher Gerbungstechniken, dem Einsatz naturbelassener Materialien und kurzer Transportwege.
Dieselben hohen Ansprüche, die Klein-Reesink an die Herstellung stellt, gelten auch für die Vermarktung. In die Website des Labels hat er viel Zeit gesteckt. Sie soll nicht nur die Produktionspolitik transparent machen, sondern auch den Lifestyle transportieren, den der Gründer mit seinen Schuhen verbindet. Das sieht gut aus und erfüllt seinen nachhaltigen Zweck – genau die Verbindung, die der Jungunternehmer anstrebt. Der größte Erfolg wäre für ihn, wenn seine Schuhe in der Zukunft in ganz normalen Geschäften stehen, inmitten von Puma, adidas und Co. Und diese vielleicht aus den Regalen vertreiben, weil die Leute ekn footwear „richtig geil“ und „sexy“ finden – und nicht aus vorauseilendem Pflichtgefühl. FUTURZWEI. Stiftung Zukunftsfähigkeit am 06.11.2014